© Nadja Mahjoub

Sonntag | 4. Mai

15:30 Uhr · Tonstudio Tessmar
Reinhold Schleese-Straße 24 · 30179 Hannover

Mert & Marta

Ballad for the Risk Class

Doppel-Porträtkonzert im Rahmen von „Yeni Müzik: Fokus Türkei“ 

Das Neue Ensemble:
Daniel Agi – Flöte
Udo Grimm – Klarinette
Christof Hahn – Klavier
Josje ter Haar – Violine
Jessica Kuhn – Violoncello
Stephan Meier – Leitung

Programm
Biografien
Ticket-Link
Eine Veranstaltung von Musik für heute e. V.
Gefördert von:

Programm

Das Doppelporträt der Schreyahn StipendiatInnen vereint ein weiterer doppelter Bezug: der von verräumlichter Musik und solcher mit einer politischen Botschaft. Verkörpert sind diese beiden auch im Œuvre des Jubilars Luigi Nonos (*1924). Sein langsam gereifter Stil einer politischen Aussage als ästhetisch-persönliches Bekenntnis hat auf Morali starken Einfluß. Der junge türkische Komponist stellt seine Werke in genau solchen Bezug. Auch ein zum extremen, zum Reduzierten neigender Ausdruck resultiert daraus.
Daß die beiden Mitstipendiaten ein gemeinsames Konzert planen, spricht für sie. Schließlich spielt die Elektronik eine protagonistische Rolle in den neuen Werken beider Komponisten.
Ihr wird eine verfremdende Rolle zugewiesen, die sie bei der Erkundung des Konzertraums, des Innen- und Außenraums spielt.

Programm

Mert Moralı (*1992)
Ballad for the Risk Class für Ensemble und Transducer
(2022)
By paraphrasing Ulrich Beck, Angela McRobbie defines ‘risk class’ as an emerging portion of the middle class after the transformations in the work regime during the neo-liberalisation in the 1980s. According to her, this group of people associate themselves with the consuming habits of the traditional middle-class; nevertheless, they do not live under the benefits attributed to the middle class: job security, social security, paid vacations, parental leave etc. The second piece of Ballad for the Risk Class cycle focuses on the idealised virtuosity, its nostalgic connotations, and the destructive aspects of this nostalgia. The pianist, a metaphor for individualism and artisanal professionalism, is now turned into a button-pusher, copying-pasting and mechanically reproducing the ideas presented by the virtual pianist. Real and virtual performers share the same body, namely the body of the piano, in an unsettling manner that re-echoes the schizophrenia of late capitalism.
(Mert Morali, Berlin, 23rd April 2022)

Luigi Nono (1924–90)
Frammento dal Prometeo (1984)
für Bassflöte und Kontrabassklarinette
Hay que caminar, soñando (1989)​
für zwei Violinen

Marta Kowalczuk (*1998)
shadows, glimmers, and apparitions: the two voices (2024)
für zwei Violinen und Viola

Aaron Cassidy (*1976)
The Crutch of Memory (2004)
for indeterminate string instrument

Marta Kowalczuk (*1998)
ru – ur (Schreyahn, 2022)
für Piccolo- und Altflöte und Elektronik

Mert Moralı (*1992)
Concerto – Neues Werk (2023/24)
für Ensemble im Raum verteilt und Elektronik

für Das Neue Ensemble

Das Stück mit dem Titel „Concerto" umfasst Voraufnahmen, Aufführungen im Offstage, Projektionen, Projektionen vom Offstage, Manipulationen der Voraufnahmen und Manipulationen der Projektionen vom Offstage. Da der Gegensatz zwischen innen und außen eher nach innen gerichtet ist, habe ich beschlossen, ein drittes Element einzuführen, um die Spannung aufrechtzuerhalten: den Techniker. Das dritte Element materialisiert den konzeptionellen Rahmen und hebt die strengen Grenzen zwischen Innen und Außen auf. Für mich ist der Techniker im Stillen der Katalysator, der die Gewohnheiten des Musikkonsums und die soziale Bedeutung von Musik für die Öffentlichkeit verändert und revolutioniert. In gewisser Weise stellt die Anwesenheit des Technikers die Grenzen zwischen Innen und Außen in Frage. Sie arbeiten für die Innenseite, werden aber als die stärkste Präsenz einer externen Kraft wahrgenommen. Die vorgesehene Besetzung für das Stück ist Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine und Violoncello. Der modulare Aufbau des Stücks ermöglicht jedoch die Hinzufügung weiterer Instrumente. Die Hinzufügung von Instrumenten erfordert eine Neubewertung der räumlichen Anordnung oder Verteilung der Instrumentengruppen im Saal. In der Version mit der Originalbesetzung sind die Bläser jedoch die primären mobilen Akteure, die sowohl auf der Bühne als auch im Off spielen. Das Klavier wird durch einen Wandler am Korpus des Instruments erweitert, wo ein virtuelles Klavier, das über eine Midi-Klavierlinie komponiert wird, gelegentlich mit oder gegen das „echte“ Klavier spielt. In dem Stück spielen Violine und Violoncello ab und zu mit Verstärkung. Der Tonbandteil, der hauptsächlich aus von den Instrumentalisten vorbereiteten Aufnahmen besteht, wird vom Techniker ausgelöst und live mit den Fadern gesteuert. Der Techniker steuert auch die Lautstärke der projizierten Darbietung aus dem Off. Die voraufgezeichneten Zeilen werden manchmal verwendet, um eine falsche Performance aus dem Off zu kreieren, die durch das tatsächliche, nicht projizierte Spiel aus dem Off hörbar wird. In diesem Zusammenhang ist der Techniker tatsächlich ein Darsteller und der wahre Solist des „Konzerts“. (MertMorali)

Biografien

Das Neue Ensemble

Das Neue Ensemble wurde 1993 von seinen Mitgliedern um den künstlerischen Leiter Stephan Meier gegründet. Seitdem haben sich die Hannoveraner einen Platz unter den international erfolgreichen Ensembles für zeitgenössische Musik erobert. Für innovative Programmkonzeption erhielten sie 2005 den Inventio-Preis des Deutschen Musikrats; New York Times, BBC Radio 3, The Sunday Times und Metropolitan Opera News empfahlen 2015 seine CD „Harrison Birtwistle: Songs 1970–2006“. Aber auch mit genreübergreifenden Produktionen wie „Gelbe Klänge“ im Sprengel Museum Hannover, dem „DaDaBus“ auf den Spuren von Kurt Schwitters, mit Stockhausens STERNKLANG unter freiem Himmel sowie Programmen für Kinder haben sie sich ein breites Stammpublikum gewonnen.
Das Neue Ensemble hat eng mit Komponisten wie Harrison Birtwistle, Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann, Carola Bauckholt, George Lewis, Johannes Schöllhorn und Mark André zusammengearbeitet. Als Solisten und Dirigenten waren Pierre-Laurent Aimard, Peter Rundel, Johannes Kalitzke, Stefan Asbury und Sarah Maria Sun zu Gast.
Das Neue Ensemble war zu Gast beim NDR Hamburg, musica viva des BR München, Philharmonie und WDR Köln, beim Goethe- Institut in Riga, Nischni-Novgorod und München, in Amsterdam, Krakau, Paris und Peking. Es war Teilnehmer der Weltmusiktage, des Kulturprogramms des Deutschen Pavillons auf der Expo 2000; im Auftrag des WDR, des NDR, des br und des ORB hat es Produktionen für Rundfunk und CD eingespielt und veröffentlicht. Das Doppeljubiläum des letzten deutschen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz hat Das Neue Ensemble gemeinsam mit Ensemble ConTempo Peking, der NDR Radiophilharmonie, dem Hessischen Rundfunk und der Leibniz-Gesellschaft 2016 im Internationalen Kompositionswettbewerb „Leibniz’ Harmonien“ gefeiert; Schirmherren waren der Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-Walter Steinmeier und der chinesische Botschafter in Berlin, Shi Mingde.
Seit einigen Jahren vergibt das Ensemble regelmäßig Auftragswerke, zuletzt an Sir Harrison Birtwistle, dessen „Songs from the Holy Forest“ 2017/18 im Beisein des Komponisten in der Kölner Philharmonie und im NDR Hannover uraufgeführt wurden.
Das Neue Ensemble wird unterstützt von seinem Förderverein Musik für heute e.V., der auch seine Proben- und Büroräume in der Alten Grammophonfabrik angemietet hat und mit Einführungsformaten und Hauskonzerten neue Hörerstämme findet. Der Ehrenpräsident des Vereins ist Helmut Lachenmann.

Marta Kowalczuk

(*1998)

wurde in Wroclaw (Polen) geboren. Seit 2016 begann Marta Komposition bei Prof. Grazyna Pstrokonska-Nawratil zu studieren. Im Alter von 19 Jahren erhielt sie ein Auslandsstipendium (Erasmus+, Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar). Nach dem Erasmus-Stipendium entschied sie sich, nun als reguläre Studentin nach Weimar zurückzukehren. Von 2019 bis 2021 studierte Marta Komposition an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar bei Prof. Michael Obst (BA). Seit Oktober 2021 studiert sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (MA) bei Prof. Gordon Kampe.
Von 2016 bis 2019 studierte Marta Kowalczuk Barockvioline bei Zbigniew Pilch (PhD) an der Hochschule für Musik Karol Lipinski Wroclaw.
Marta Kowalczuk nimmt aktiv am Musikleben in Deutschland und im Ausland teil. Sie arbeitet mit renommierten Orchestern, Ensembles und Musikern: U.a. Multimediales Improvisationsensemble Thüringen, Staatskapelle Weimar, I SOLISTI – Belgian wind ensemble Antwerp, Ensemble via nova, Radius Ensemble, Juventas New Music Ensemble, MDR Sinfonieorchester, Ensemble KNM Berlin, Hamburger Ratsmusik, Ensemble Garage, Kent Nagano.

Mert Moralı

(*1992 in Izmir)

ist ein in Berlin ansässigerKomponist, dessen aktuelle Forschung und künstlerisches Interesse sich auf dasVerhältnis von Prothesen und Körperlichkeit sowie auf die raumbezogeneKonditionierung dieser Beziehung konzentriert, insbesondere in Bezug auf derensoziopolitische Konnotationen.
Mert Morali wurde mit dem ersten Preis in der Duo-Kategorie der Wilde Lieder –Marx.Music Composing Competition in Trier/Deutschland, sowie dem J. J.Strossmayer Prize beim Novalis Festival, Osijek/Kroatien, ausgezeichnet. Er waraußerdem Stipendiat in Komposition am Künstlerdorf Schöppingen, KünstlerhofSchreyahn und der Villa Aurora, Los Angeles/USA.
Seine Werke wurden auf Festivals wie dem Bauhaus Festival, Dessau/Deutschland;Festival Mixtur, Barcelona/Spanien; Klangwerkstatt Berlin und UltraschallBerlin aufgeführt. Sie wurden von Ensembles wie Ensemble Dal Niente, das NeueEnsemble, ensemble proton bern, Georg Katzer Ensemble, hand werk, KNM Berlinund Modern Art Ensemble gespielt.
Morali nahm an Meisterklassen und Workshops mit renommierten Komponist*innenwie Mark Andre, Franck Bedrossian, Pierluigi Billone, Chaya Czernowin, BrianFerneyhough, Francesco Filidei, Liza Lim, Isabel Mundry, Sarah Nemtsov undMarco Stroppa teil. Er hat einen Abschluss in Komposition von der BilkentUniversity, Ankara/Türkei, und setzte seine Studien an der Hochschule für MusikHanns Eisler in Berlin fort, wo er sich auch mit elektroakustischer Musikbeschäftigte.

 

Gefördert durch:
Projektpartner*innen: